Gesprächstoff

Gesprächstoff

Buttons – diese kleinen runden Metallbroschen zum Anstecken waren schon in meiner Jugend Werbeträger für die eigene Auffassung – oder zumindest jener Haltung, der man sich gerne zugehörig fühlen wollte. Ich war für „Greenpeace“ und somit auch „Gegen das Waldsterben“, warb für „Atomstrom – nein danke“ und selbstverständlich fehlte „Make love, not war“ auch an meinem T-shirt nicht. Alles das prangte hübsch bunt und vereint unter meinem linken Schlüsselbein und konnte bei Bedarf, Peergroup und Pupertätsstufe ausgewechselt werden. Kein Wunder also, dass mein Herz zunächst freudig schneller schlug, als ich in einem der neueren Hotels in Zürich eine Dame im Service erblickte, an deren Bluse ein grosser quitschpinker Button prangte. Meine Neugierde und die im Geiste für viele Schlachtrufe bereits vollzogene Verbundenheit bekam jäh einen Schlag ins Gesicht, denn zu meiner vollkommenen Irritation las ich an der Brust besagter Frau: „let’s spend the night together“. Eine solch direkte Botschaft, nein Anmache, war ich in Zürich sonst weniger gewohnt und die liess mich einen kleinen Moment sprachlos werden … danach erkundigte ich mich bei meinem lieben und männlichen Kollegen, ob nur ich das total daneben finde oder er ebenfalls – wir waren einer Meinung. Als ich mich gänzlich wieder gefasst hatte, sprach ich die Button-Trägerin auf ihre metallene Einladung am Revers an, die sie lächelnd und mit einer wegwischenden Handbewegung abtat. Männer hätten noch nie auf darauf reagiert. Es seien immer nur die Frauen, die sich erkundigten, ob das für sie nicht beschämend und befremdend sei. „Und?“ frage ich, „ist es eines von beiden oder noch etwas anderes?“, schon gleich meine innere Flagge der Verbrüderung hissend? „Nein“ versichert mir die sympathische Anstecknadelbesitzerin wieder lächelnd, „es ist mir egal, was da steht!“, während sie kleine Servietten auf die Kondenswasserseen der Wasserflaschen legt, die mundgerechten Kuchenhäppchen auf der Etagere parat stellt und, mir leise einen schönen Tag wünschend, den Raum verlässt. Unmittelbar danach und just in dem Moment, in dem ein wahres Feuerwerk an Fragen, Statements, Pamphleten, Anmerkungen, Behauptungen und vielem mehr zu Themen des Respekts, der Frauenfreundlichkeit, der Nötigung und und und und aus mir herausbricht und sich vor meinem Kollegen ergiesst, bleibt mein Blick bei den Tischsets hängen. „Greenpeace“ steht da und bannt meine Aufmerksamkeit allmählich. Also gibt es da doch noch eine politisch korrekte Haltung, denke ich, ein Statement, dem wir uns beugen wollen und das alles andere an übersexualisierten Versen und Sprüchen im gesamten Haus den Garaus macht. Doch dem ist nicht so, denn die Empfehlung auf dem „how-to-survive-a-boring-meetin guide“ lautet: „fake an important call from greenpeace“. Verraucht ist mein Beschützerinstinkt für die gelassene Dame aus dem Service. Entzündet ist und bleibt bis heute eine gleissende Flamme an Gesprächsstoff über die Grenze zwischen „Hipp-sein-und-sich-ins-Gespräch-bringen-auf-Kosten-anderer“, Marketingstrategien für wen genau, und schlichtweg ganz schlechtem Geschmack.